FEZ-Geschäftsführer zieht Bilanz

"2024 werden sich Neues und Altes treffen..."

Seit neun Jahren leitet er die Geschäfte im FEZ: Der 1962 in Weimar geborene Thomas Liljeberg-Markuse zieht Bilanz und erzählt, was sich in diesem Jahr alles im FEZ bewegt.


Lieber Thomas, seit neun Jahren leitest du eines der größten Kinder-, Jugend- und Familienzentren Europas. Wie war es?

Als ich die Geschäftsführung übernahm, galt es einerseits, das FEZ in die Zukunft zu führen und neue Strukturen zu schaffen. Und auf der anderen Seite fand ich ein Haus vor, in dem viele der Angestellten schon seit seiner Gründung als Pionierpalast in der DDR dazugehörten. Die gewachsenen Strukturen kennen- und schließlich dann auch schätzen zu lernen, war für mich ein wichtiger Lernprozess. Dass das FEZ in seiner ganzen Diversität unfassbare Potenziale hat, war mir hingegen von Anfang an klar. Ich durfte im FEZ einen Generationswechsel mit begleiten, das war sehr interessant! Ich habe große Freude an den vielen neuen Leuten im Haus, weil ich weiß, dass sich das FEZ mit ihnen weiter verändern wird. Auf diese Entwicklung freue ich mich wirklich unbändig! Es wäre schön, wenn dabei alle an einem Strang ziehen würden. Damit viel Neues und Tolles im FEZ entsteht.

Worin bestand für dich in den letzten neun Jahren ein wichtiger Meilenstein?
Als ich anfing, erzählte man mir, die große Stärke und das Tolle am FEZ sei seine Vielfalt. Vielfalt hat aber erstmal ja keine Kontur. Deswegen wollten wir über Strukturierungsprozesse sichtbar machen, für welche Inhalte das FEZ genau steht. Wir haben uns stark mit Diversität, Nachhaltigkeit, Interkulturalität und Bildung beschäftigt und diese Themen über unser Programm mit Leben gefüllt. Junge Menschen an die neuen digitalen Kulturtechniken heranzuführen, spielt eine immer größere Rolle. Aber für Jugendarbeit gibt es leider immer zu wenig Geld. Darum war es auch unheimlich wichtig, mithilfe neuer Strukturen und Synergien wirtschaftliche Stabilität zu erreichen. Wir haben Beziehungen in die Politik geknüpft und das Verhältnis zur Verwaltung und unseren Partner*innen gestärkt. Das ist uns letztlich sehr gut geglückt.

Was macht das FEZ aus deiner Sicht unverwechselbar?
Dass es Lernen und Spielen immer explizit miteinander verbunden hat. Und das auf eine sehr schöne und elaborierte Art und Weise. Uns ist es gelungen in den letzten Jahren mit “FEZ machen!” eine Reihe zu entwickeln, die genau das umfasst. “FEZ machen!” ist eine Veranstaltungsreihe, die enormen Zulauf hat. Mit Reihen wie "Das kann ich schon alleine” hat das FEZ ein großes Standing in der Stadt. Darauf kann es sehr stolz sein.

Was wünschst du dir für die Zukunft des FEZ?
Nachdem der Generationswechsel im FEZ gelungen ist, wollen wir vor allem personelle Stabilität erreichen und neue Unterstützungsinstanzen schaffen. Die Kolleg*innen in den Teams, auch in den technischen Teams, brauchen Assistenzen, um die quantitativ sehr ausufernde Arbeit stemmen zu können. Ich hoffe auch, dass es uns gelingt, das Verhältnis zwischen den Gewerken und dem Eventmanagement zu intensivieren, und dass man sich dort noch mehr füreinander interessiert.

Im letzten Jahr hat sich auch baulich manches beim FEZ getan. Es gibt eine neue Photovoltaikanlage und eine Sternwartenkuppel auf dem Dach, auf die Schüler*innen aus jedem Klassenzimmer in Deutschland per Internet zugreifen können. Das Haus wird deutlich moderner. Setzt sich das im neuen Jahr weiter fort?

Wir hoffen, dass die Photovoltaikanlage dieses Jahr noch ans Netz gehen kann. Wenn es gut geht, deckt sie etwa 20 Prozent unseres Strombedarfs ab. Ich hätte gerne auch den Parkplatz noch überdacht und dort weitere Photovoltaik gebaut. Noch im ersten Quartal werden übrigens die ersten vier Ladesäulen für Elektrofahrzeuge auf dem Wirtschaftshof aufgestellt. Ein weiteres großes Projekt ist aktuell das neue Gästehaus der Landesmusikakademie, das “Haus am Badesee”, das gerade in der Wuhlheide entsteht. Außerdem arbeiten wir sehr intensiv an der Sanierung der Lehrküche. Sie wird sehr viel größer als die alte Lehrküche werden, und – ganz wichtig – auch inklusiv. Damit in Zukunft nicht nur Fußgänger, sondern auch Rollstuhlfahrer*innen dort arbeiten können. Die Lehrküche war schon eine Vision meines Vorgängers Joachim Litty. Ich freue mich sehr darauf, dabei zu sein, wenn sie in diesem Jahr endlich verwirklicht wird.

Und wie steht es 2024 um die Inhalte und Events: Gibt es neue Akzente?
Im Rahmen des im letzten Jahr begonnenen Umstrukturierungsprozesses soll der Bereich für die außerschulische Bildung 2024 deutlich sichtbarer werden, und sein inhaltliches Profil weiter schärfen, darauf freue ich mich besonders. Insgesamt wird sich das Jahr dadurch auszeichnen, dass Neues und Altes sich treffen. Formate wie das “Puppentheaterfest” zum Beispiel sind zwar unfassbar aufwendig, aber auch unfassbar beliebt. Dieses Jahr geht es damit in die 27. Runde. Sowas darf man natürlich nicht aufgeben! Dann bekommt das Winter-Format “Das kann ich schon alleine!” eine neue Sommeredition. Das ist ein Leuchtturmprojekt im Bereich der frühkindlichen Erziehung, bei dem kleine Kinder von 1 bis 6 zeigen, was sie schon alles alleine können. Im letzten Jahr haben wir das Format “FEZitty” zurückgebracht – und sind mit der digitalen Währung der Kinderstadt ganz neue Wege gegangen. Die Besucherzahlen lagen über denen der Vorpandemie – das war ein außerordentlicher Erfolg. Und das wird sich in diesem Jahr noch weiterentwickeln.

Und was gibt es Neues?
Verabschieden müssen wir uns leider vom Winterferienevent “Zauberschloss”. Das tut weh, weil das “Zauberschloss” wirklich schön war und viele Fans hatte. Dafür bekommen wir mit der "Winterreise” ein neues Format: "Süßer Brei & Zauberey” feiert schon nächsten Monat Premiere. Das wird mit Sicherheit etwas sehr Schönes und sehr Poetisches werden. Mit “FEZ machen! Mobilität” gehen wir auch noch mal neue Wege. Und mich freut auch sehr, dass die Förderung für die “Minibooth” in diesem Jahr steht. Und unser neues Format für diverse Familien “We are Family” kehrt zurück, um nur ein paar Neuerungen zu nennen. Ein Highlight wird auch der 45. Geburtstag des FEZ, den wir lustigerweise am 3. Oktober, dem Tag der deutschen Einheit feiern. Zufällig wurde das Haus 1979 an genau diesem Tag in der DDR eingeweiht.  

Blicken wir mal auf das vergangene Jahr zurück. Was waren deine persönlichen Highlights im Jahr 2023?
Alles Neue ist natürlich immer besonders spannend. Rein arbeitstechnisch waren es für mich die Photovoltaikanlage und die Lehrküche, aber auch der Kampf um den Doppelhaushalt. Wirtschaftlich geht das Land Berlin durch eine sehr schwierige Zeit, und es sah zunächst danach aus, als würde die kulturelle Bildung stark gekürzt. Wir sind sehr froh, dass es doch nicht so kam. Bei den Formaten zählt für mich das “PXP-Festival” zu den Highlights: Es war absolut faszinierend, das Haus mit so vielen Partner*innen geflutet zu sehen, die neue Bildungsansätze besprachen. Möglicherweise kehrt das „PXP-Festival“ 2025 zurück. Dann die gerade erwähnte “Minibooth”, letztes Jahr noch als einfaches Experiment: elektronische Musik, Techno und alles, was damit zusammenhängt, für Kinder erfahrbar zu machen, ist so ein schöner Gedanke. Die “Minibooth” holt die elektronische Musik aus einer Ecke heraus und führt Kinder auf der anderen Seite an eine neue Art des Musikmachens ran. Auch die Kinderstadt “FEZitty” ist natürlich ein Highlight gewesen. Wir waren übrigens fast das ganze Jahr über ausverkauft und hatten cirka 700.000 Besucher*innen im FEZ. Die genauen Zahlen werden gerade erhoben. Das haben die Kolleg*innen aus dem technischen als auch aus dem Eventbereich mit sehr begrenzten Mitteln erreicht. Und wie ihnen das gelungen ist, das ist das eigentliche Highlight des Jahres gewesen.

Wie beim “PXP-Festival“ handelte es sich auch bei der “YouthCon” um ein Austauschformat für gesellschaftliche Innovationen, nicht wahr?
Wir geben der Jugend des FEZ die Möglichkeit, unseren Namen und unsere Räume zu nutzen und ihre eigenen Formate zu schaffen. Konzeption, Finanzierung und Ausführung liegen bei den Jugendlichen allein, wir halten uns völlig raus. Das Funding für die “YouthCon” und auch das tolle “Europe Escape Game” hat die Gruppe ganz alleine geschafft – und war dabei sogar erfolgreicher als wir selbst. Gut, dass wir eine neue Fundraiserin haben. Die “YouthCon” funktionierte erst im zweiten Jahr, dafür dann aber richtig gut: da gab es blitzschnell über 1.000 Anmeldungen. Auf unsere Jugendgruppe im FEZ sind wir sehr stolz.

Schauen wir auf die Lage der Kinder auf dieser Welt insgesamt, dann war 2023 leider kein gutes Jahr. Es gab neue Kriege, neue Konflikte und weitere humane Katastrophen. Viele mussten aus ihren Heimaten fliehen. Als Russland den Ukraine-Krieg anfing, war das FEZ solidarisch und schuf sofort Angebote für die geflüchteten Menschen. Wie kann das FEZ Geflüchtete auch weiterhin unterstützen?
Das FEZ verortet sich nicht links oder rechts, sondern ist ein Haus für alle Menschen dieser Gesellschaft, in unserer Stadt. Uns ist es wichtig, verschiedene Menschen miteinander ins Gespräch zu bringen. Es ist in beide Richtungen wichtig, dass auch geflüchtete Menschen in Kontakt mit der Gesellschaft kommen. Das FEZ will ein Safe-Space sein, in dem sich alle willkommen und geborgen fühlen dürfen. Ich glaube, dass das am besten gelingt, wenn das FEZ seinen bisherigen Weg einfach weitergeht. Wir hätten mit Sicherheit gute Legitimität gehabt, unsere Preise dieses Jahr leicht zu erhöhen. Aber wir haben entschieden, dass durch die Preispolitik für niemanden Barrieren entstehen sollen. 

Das Interview mit Thomas Liljeberg-Markuse führte David Schmidt am 5. Januar 2024